NEULAND 3 // LIEBSTER VATER! (non fiction)
Liebster Vater
so beginnt der Brief, den Franz Kafka 1919 an seinen Vater geschrieben hat, eine 103 Seiten lange Abrechnung mit seinem Vater, eine Analyse der Beziehung inclusive Manipulationen und Polemik. Kafkas Vater hat den Brief nie zu lesen bekommen, dafür wurde er zur ungeliebten Lektüre im Deutschunterricht. Welche Beziehung hat so ein Werk zum Leben, zum Leser. Kann es Anlass sein, sich an den eigenen Vater zu wenden, das Gespräch zu suchen, den Eltern einen Brief zu schreiben? Was würden heutige Jugendliche ihrem Vater schreiben? Mit diesen Überlegungen begann Mate Sólyóm-Nágy, einen Workshop mit Jugendlichen zu entwickeln. Aber die Besuche in Schulklassen wurden durch die Pandemie unmöglich, und im Januar 2021 verstarb Sólyóm-Nágys eigener Vater. Das Projekt verschob sich: Nachdenken über die eigene Beziehung zum Vater, über das Sterben und die Zeit davor. Aus Kafkas „Brief an den Vater“ und der Erzählung von Sólyóm-Nagys Zeit am Sterbebett seines Vaters entstand ein sehr persönlicher Abend, ein Versuch, Literatur als Werkzeug zu verwenden: Liebster Vater (non fiction).
Einen begehbaren Rahmen für den Abend schaffen Auszüge aus Briefen von Schüler:innen an ihre eigenen Väter sowie anonyme Vaterbilder, die im Umgang der STUDIO.BOX zu erleben sind. Die ausgewählten Privatfotografien aus dem Archiv der FOTOTHEK Weimar* wie auch die Audiobeiträge dokumentieren die Entwicklung des Projekts.
*FOTOTHEK Weimar
Die Bilder gehören zum Archiv der FOTOTHEK, zusammengetragen von der Künstlerin Anke Heelemann (Weimar) auf Flohmärkten, im Sperrmüll oder bei ebay. Diese umfangreiche Sammlung an anonymen Privatfotografien, zu der auch Dias und Fotoalben gehören, bildet den Ausgangspunkt für ihre Arbeit, ist Fundus und Materialquelle zugleich. Das künstlerische Langzeitprojekt vereint eine große Bandbreite von Arbeiten, die von Interventionen und Installationen mit interaktiven Popup-Architekturen über eigene Veranstaltungsformate und Performances wie improvisierte Diaabende, Fotoratgeberlesungen bis hin zu ortsspezifischen Recherche-Projekten reichen.